| André Rochais (1921-1990)André Rochais wurde 1921 im französischen Deux-Sèvres geboren. Er stammte aus einfachen Verhältnissen und interessierte sich sehr früh für das Unterrichten, die Erziehung und die Beziehung zwischen Mensch und Gesellschaft. Sowohl als Grundschullehrer als auch später als Schulleiter begeisterte er sich für die Methoden der Reformpädagogik. Durch den Kontakt mit Lehrern und Eltern wurde ihm nach und nach bewusst, dass sein Interesse mehr der Erwachsenenbildung als der Ausbildung von Kindern galt. Im Alter von etwa 30 Jahren spürte er die Berufung zum Priestertum. Er begann wieder zu studieren und wurde zum Priester geweiht. Im Anschluss daran setzte er seine Ausbildung am Pariser »Institut d’Etudes Sociales« (Institut für Sozialwissenschaften) fort, und lernte dort die Sozialpsychologie kennen. Von 1962 an widmete er sich voll und ganz der Erwachsenenbildung. Anfangs unterrichtete er Sozialpsychologie, später bot er von ihm geschaffene Kurse an, deren Inhalt das Leben in Politik und Wirtschaft, sowie die internationalen Beziehungen und die Sozialpsychologie betraf. Sie hatten auf Anhieb großen Erfolg. Bei der Weitergabe der Ausbildungsinhalte stellte er im Laufe der Zeit fest, dass seine Aufmerksamkeit besonders all dem galt, was den Menschen und sein Wachstum betrifft. Daraufhin beschäftigte er sich intensiv mit der systematischen Forschung zu diesem Thema. Seit dem Beginn seiner Lehrtätigkeit ahnte er, dass in jedem Individuum eine tiefe, gesunde Zone existiert, von der aus die Person ihre eigene Persönlichkeit entdecken und in Harmonie leben könnte. Seine Begegnung 1966 mit dem Werk von Carl Rogers, amerikanischer Psychotherapeut, bestätigte ihn in seiner Intuition und führte ihn zurück zu seiner eigenen Forschung über den Menschen und dessen psychische Struktur. Die intensive Beobachtung und die stetige Auseinandersetzung mit seinen Gesprächspartnern gaben André Rochais Schritt für Schritt Aufschluss über die Persönlichkeitsstruktur des Menschen, seine Funktionsweisen und die Mechanismen, die seinem Wachstum zugrunde liegen. Sein Ziel war es, den »universalen Menschen« zu beschreiben, d.h. die Grundstruktur, die in jedem Menschen liegt, gleich welchem Kulturkreis er angehört. Wenn man auf diese Weise das tiefe Wesen des Menschen verstehen könnte, wäre es laut André Rochais möglich, dass der Mensch einer sehr befriedigenden Funktionsweise näher kommt, und zwar hinsichtlich seiner eigenen Entfaltung und seiner gesellschaftlichen Wirksamkeit, kurz: Zugang findet zu seiner persönlichen Erfüllung. So entstand allmählich ein Deutungssystem des Menschen im Wachstum. Als überzeugter Humanist suchte André Rochais nach Wegen, seine Entdeckungen so umzusetzen, dass sie jedem Menschen zugänglich werden. Es war sein Wunsch, dass seine Forschung all jenen zugute komme, die nach einem vertieften Leben streben. Mit seinen pädagogischen Fähigkeiten machte er sich auf die Suche nach dem, was einem Menschen hilft, sich kennenzulernen, sein Leben in die Hand zu nehmen, den Sinn des Lebens zu finden und sich von dem zu befreien, was ihn daran hindert, ein Leben in Einklang mit seiner Persönlichkeit und seinem tiefen Gewissen zu führen. Auf diese Weise entfaltete sich André Rochais’ pädagogische Kreativität und so entstanden die ersten Ausbildungskurse, die ausgerichtet sind auf die Selbsterkenntnis. Diese ersten, sehr global gefassten Kurse, enthielten bereits im Kern all das, was sich in der Folge entwickeln sollte. Angesichts des Erfolgs seiner Kurse und der großen Nachfrage in Frankreich und Kanada, später auch in anderen Ländern, bot er Interessierten eine Ausbildung zur Leitung seiner Kurse an. Im Jahr 1970 gründete er mit den damaligen Ausbildern eine Bildungs- und Forschungseinrichtung mit dem Namen PRH (Personnalité et Relations Humaines), um die von der Organisation angebotene Psychopädagogik weiterzugeben. Es lag ihm sehr viel daran, dass die Ausbilderinnen und Ausbilder innerhalb einer Bildungseinrichtung kompetente Fachleute würden. Ganz spontan zeigte er großes Interesse für das, was die Ausbildergruppe und er selbst als Gründer bei dieser Arbeit erlebten. Ausgehend von diesen Beobachtungen begann er, die Merkmale solch einer Gruppe zu erforschen. Von diesem Zeitpunkt an war sein Leben eng mit der Entwicklung der Organisation PRH, die er zusammen mit dem Ausbilderteam strukturierte, verbunden. Innerhalb der Organisation PRH war er die treibende Kraft, und er scheute keine Mühen, obwohl sein körperlicher Gesundheitszustand durch Krankheit sehr geschwächt war. Sobald es ihm möglich wurde, delegierte er die Leitungsaufgaben, um sich ausschließlich dem zu widmen, was er als seinen Auftrag betrachtete; nämlich mit anderen zusammen pädagogische Mittel zu erarbeiten, die das Wachstum des Menschen zum Ziel haben. Das Wachstum des Menschen ist seiner Meinung nach ein sehr guter und gleichzeitig unumgänglicher Weg, wenn man zur Humanisierung der Gesellschaft beitragen will. Dies entsprach seinem innigsten Wunsch und umfasste all das, was er zutiefst war: Mensch, Priester, Forscher im Bereich der Geisteswissenschaften und Pädagoge. Bis zu seinem Tod im Jahr 1990 arbeitete er unablässig eng mit der Ausbildergruppe zusammen und dehnte seine Forschungsarbeit aus auf das Zusammenleben in einer Gruppe und in einem Unternehmen, auf die Beziehung des Menschen zur Transzendenz, das Leben in einer Paarbeziehung und die Erziehung der Kinder. Sein Leben lang erwies er sich als bescheidener, grundehrlicher, echter und selbstloser Mensch, der mit sich selbst in Einklang stand. Er betrachtete seine Forschung nicht als sein Eigentum, sondern stellte sie allen zur Verfügung. Er versuchte auch nicht aus seinen Entdeckungen Gewinn zu schlagen, sondern ließ alles in die Organisation PRH zurückfließen. Dass das Leben aller Männer und Frauen, ja der gesamten Menschheit gelingen möge – dies war André Rochais’ Leidenschaft. Quelle: Der Mensch und sein inneres Wachstum, 2000, 17-19
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